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II. Die Bedeutung des Umtauschverhältnisses im Rahmen der grenzüberschreitenden Verschmelzung.

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1. Definition und Rolle des Umtauschverhältnisses.

Sowohl bei innerdeutschen als auch bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen stellt das
Umtauschverhältnis den zentralen Regelungspunkt dar(59). Es gibt nämlich an, wie viele Anteile an der
übernehmenden Gesellschaft auf einen Anteil der übertragenden Gesellschaft entfallen(60), d.h., in der
Praxis, wie viele Anteile bzw. Aktien der übernehmenden Kapitalgesellschaft die Gesellschafter bzw.
Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers gegen den Verlust ihrer Anteile im Züge der
Verschmelzung erhalten werden. Deshalb ist die sorgfältige Ermittlung des Umtauschverhältnisses
(basiert auf die Bewertung der sich verschmelzenden Unternehmen) sowohl für die Gesellschafter
des übertragenden als auch für diejenigen des übernehmenden Rechtsträgers von grundsätzlicher
Bedeutung. Ein aufgrund einer Unter- oder Überbewertung eines der Rechtsträgers fälschlich
festgelegtes Umtauschverhältnis kann nämlich für alle Anteilsinhaber eine Kapitalverwässerung, und
somit eine Schmälerung ihrer Vermögens- (Teilnahme am Gewinn und am
Auseinandersetzungsguthaben) sowie Mitwirkungsrechte (insbesondere ihres Stimmrechtes)
bedeuten(61).

2. Das Umtauschverhältnis als zwingende Angabe in verschiedenen Unterlagen.

Da das Umtauschverhältnis für die Anteilsinhaber sämtlicher an der grenzüberschreitenden
Verschmelzung beteiligten Rechtsträger sehr wichtig ist, erscheint es unentbehrlich, dass diese
letzteren um eine angemessene Information darüber verfügen. Dies geschieht durch verschiedene
Dokumente. Ziel dieser Information ist, die Anteilsinhaber zu ermöglichen, sich mit Sachkenntnis
über den gemeinsamen Verschmelzungsplan im Rahmen der Anteilsinhaberversammlung
auszusprechen.

a) Die Angabe des Umtauschverhältnisses im gemeinsamen Verschmelzungsplan (§ 122c Abs. 2 Nr. 2).

Nach § 122c Abs. 2 Nr. 2 muss der gemeinsame Verschmelzungsplan das Umtauschverhältnis
der Aktien oder Gesellschaftsanteile(62) sowie gegebenenfalls die Höhe der baren Zuzahlung enthalten
(Umsetzung des Art. 5 Abs. 1 lit. b GrenzVR). Diese Vorschrift nimmt Bezug auf Art. 5 Abs. 2 lit. b
der Dritten Richtlinie 78/855/EWG über die innerstaatliche Verschmelzung von Aktiengesellschaften
und entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 3 bei innerdeutschen Verschmelzungen. Da hier die
vermögensrechtliche Seite ihrer Beteiligung und die Auswirkung der Verschmelzung auf diese
unmittelbar betroffen ist(63), stellt diese Angabe aus Sicht der Anteilsinhaber das Kernstück des
gemeinsamen Verschmelzungsplans dar. Zu einer angemessenen und vollständigen Information der
Anteilsinhaber muss der Verschmelzungsplan genau festlegen, in welchem Verhältnis die Anteile
oder Aktien des übertragenden Rechtsträgers in Anteile oder Aktien der übernehmenden Gesellschaft
umgetauscht werden sollen(64). Da die Erläuterung des Umtauschverhältnisses erst im
Verschmelzungsbericht nach § 122e zu erfolgen hat, besteht keine Erläuterungspflicht im
Verschmelzungsplan(65). Durch diesen letzteren sollen die Anteilsinhaber lediglich einen ersten Blick
darüber erhalten, in welchem Umfang sie künftig an dem übernehmenden Rechtsträger beteiligt sein
werden(66).

b) Die rechtliche und wirtschaftliche Erläuterung des Umtauschverhältnisses im Verschmelzungsbericht (§§ 122e, 122a Abs. 2 i.V.m. 8 Abs. 1 S.1 Hs. 1).

Nach § 122e, der Art. 7 GrenzVR in das deutsche Recht umsetzt und dem § 8 bei
innerstaatlichen Verschmelzungen entspricht, sind die Vertretungsorgane der beteiligten
Gesellschaften verpflichtet, einen ausführlichen Verschmelzungsbericht zu erstellen, in dem die
rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der grenzüberschreitenden Verschmelzung,
insbesondere auf die Gesellschafter, erläutert und begründet werden. Da diese Vorschrift in
Verbindung mit § 8 (außer dessen Absatz 3) anzuwenden ist, ist das Umtauschverhältnis der Anteile
ebenfalls im Verschmelzungsbericht rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern (§ 8 Abs. 1 S. 1). In
diesem Bericht ist außerdem auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung der Rechtsträger
sowie auf ihre Folgen für die Beteiligung der Anteilsinhaber hinzuweisen (§ 8 Abs. 1 S. 2). Durch
diese Erläuterung muss das Umtauschverhältnis von den Anteilsinhabern wirtschaftlich und rechtlich
nachvollzogen werden können(67) und den Anteilsinhabern eine Plausibilitätskontrolle und
gegebenenfalls eine Rüge der der Ermittlung des Umtauschverhältnisses zugrunde liegenden
Unternehmensbewertungen ermöglicht werden(68). Deshalb hat das Vertretungsorgan insbesondere
darüber zu berichten, nach welcher Methode die sich verschmelzenden Unternehmen bewertet
worden sind(69). I.d.R. wird die Bewertung nach der von der Rechtssprechung anerkannten(70)
Ertragswertmethode erfolgen(71). Wird eine andere Methode (Substanzwertverfahren, Stuttgarter
Verfahren, Discounted-Cash-Flow-Verfahren…) als das Ertragswertverfahren benutzt, sind die
Gründen dieser Methodeänderung im Bericht anzugeben(72). Angabepflichtig sind die wesentlichen
Zahlen, die in der Bewertung berücksichtigt worden sind : Dazu zählen insbesondere die
Jahresergebnisse der vergangenen Jahre, die Prognosen für die Zukunft (geplante Jahresergebnisse
mit Gesamterträgen und -aufwendungen) und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen, sowie der
Wert der nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände(73). Ferner sind zur Erläuterung des
Umtauschverhältnisses der Kapitalisierungszinssatz(74) sowie der Stichtag anzugeben, auf welchen die
Bewertung erfolgt ist.

c) Das Umtauschverhältnis und die Sachverständigenprüfung (§§ 122f i.V.m. 9 bis 12).

Nach den §§ 122f i.V.m. 9 Abs. 1 ist der Verschmelzungsplan (oder zumindest sein Entwurf)
durch einen oder mehrere unabhängigen Sachverständigen zu prüfen. Ziel der Einschaltung von
unabhängigen Prüfern ist insbesondere, zu gewährleisten, dass das Umtauschverhältnis angemessen
ist(75). Der Prüfer muss über das Ergebnis der Prüfung einen schriftlichen Bericht erstellen (§ 12 Abs.
1 S. 1). Im Rahmen dieser Prüfung wird das Umtauschverhältnis weitgehend berücksichtigt : Nach §
12 Abs. 2 S. 1 ist nämlich der Bericht mit einer Erklärung darüber abzuschließen, ob das im
Verschmelzungsplan „vorgeschlagene Umtauschverhältnis der Anteile (…) als Gegenwert
angemessen ist“. Außerdem sind nach § 12 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 3 im Prüfungsbericht bestimmte
zusätzliche Angaben über das Umtauschverhältnis, insbesondere über die Methode zu seiner
Ermittlung und die Gründe ihrer Benutzung und ihrer Angemessenheit zu machen.

Die Erklärung über das Umtauschverhältnis wird als „Testat“ bezeichnet(76). Fehlt sie, ist der
Verschmelzungsbericht unvollständig und somit der Verschmelzungsbeschluss fehlerhaft, was zu
dessen Anfechtbarkeit führt(77). Dies gilt aber nur, soweit die Anteilsinhaber in Kenntnis der wahren
Sachlage der Verschmelzung nicht zugestimmt hätten(78).

Fraglich ist, welche Rechtsfolge eintritt, falls der Verschmelzungsprüfer im Bericht zum
Ergebnis kommt, dass das Umtauschverhältnis unangemessen ist. Unmittelbare Rechtsfolgen sind
nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen. Da der Bericht des Verschmelzungsprüfers
dazu dient, die Anteilsinhaber vor der Versammlung zu informieren, sind diese in der Lage, daraus
gewisse Folgerungen zu ziehen : Die vom Umtauschverhältnis benachteiligten Anteilsinhaber haben
nämlich die Möglichkeit, gegen den Verschmelzungsbeschluss zu stimmen. Für die Anteilsinhaber
des aufnehmenden Rechtsträgers ist dieses Abwehrmittel gegen das unangemessene
Umtauschverhältnis wichtig, da ihnen das Spruchverfahren gesperrt ist(79). Wird trotzdem die
erforderliche Mehrheit von drei Vierteln erreicht, bleibt ihnen die Möglichkeit, im Wege der
Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungsbeschluss vorzugehen (§ 14 Abs. 1). Dabei können sie
sich auf einen Mehrheitsmissbrauch berufen(80). Die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft
haben hingegen die Wahl, entweder gegen den Verschmelzungsbeschluss zu stimmen oder ihm
zuzustimmen und ihren Anspruch auf bare Zuzahlung im Rahmen des Spruchverfahrens geltend zu
machen(81). Falls ihnen das Spruchverfahren im Rahmen der grenzüberschreitenden Verschmelzung
gesperrt ist, können sie stattdessen gegen den Verschmelzungsbeschluss im Wege der
Anfechtungsklage vorgehen.

3. Die Ermittlung des Umtauschverhältnisses im Rahmen der grenzüberschreitenden Verschmelzung.

a) Grundlagen zur Ermittlung des Umtauschverhältnisses.

Die Festlegung des Umtauschverhältnisses wird sowohl bei innerdeutschen als auch bei
grenzüberschreitenden Verschmelzungen im Schrifttum als das „prinzipiell delikateste“ an der
Verschmelzung bezeichnet(82), da sie auf der Grundlage der Verschmelzungswertrelation (d.h. des
relativen Werts der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften zueinander(83)) und somit auf
einer Bewertung der sich verschmelzenden Unternehmen erfolgt. Anders gesagt wird es von der
Wertigkeit von Leistung (übertragenes Vermögen) und Gegenleistung (Gewährung von Anteilen am
aufnehmenden Rechtsträger) bestimmt(84). Nicht entscheidend ist daher der absolute Wert der
beteiligten Unternehmen, sondern das Verhältnis der Werte der Unternehmen zueinander(85), so dass
man nicht zu einem hundertprozentig wahren Umtauschverhältnis gelangen kann, sondern lediglich
sich innerhalb einer angemessenen „Brandbreite“ bewegen wird(86). Nach dem Leitbild des Gesetzes
ist das Umtauschverhältnis das Ergebnis von freien Verhandlungen zwischen zwei gleichberechtigten
Partnern(87). Dies stimmt wohl bei der Verschmelzung von zwei gleichberechtigten Gesellschaften
(sog. merger of equals), aber nicht bei der Verschmelzung von konzernverbundenen Unternehmen(88).

Von entscheidender Bedeutung für die Wahrung der Vermögensinteresse der Anteilsinhaber
sowohl des übertragenen als auch des aufnehmenden Rechtsträgers ist, dass das vorgeschlagene
Umtauschverhältnis angemessen ist. Die Vereinbarung eines angemessen Umtauschverhältnisses ist
sogar eine Pflicht für die Vertretungsorgane der beteiligten Rechtsträger(89). Angemessen ist das
Umtauchverhältnis, wenn der Wert der Anteile am übertragenden Rechtsträger dem Wert der
erhaltenen Anteile am übernehmenden Rechtsträger entspricht(90). Dabei spielt die Methode zur
Bewertung der beteiligten Rechtsträger und somit zur Festlegung der Verschmelzungswertrelation
eine erhebliche Rolle. Sind die Werte der sich verschmelzenden Unternehmen festgestellt, werden sie
zur Ermittlung des Umtauschverhältnisses zu den Nennbeträgen des gezeichneten Kapitals ins
Verhältnis gesetzt. Daraus ergibt sich, wie viele Anteile bzw. Aktien des übernehmenden
Rechtsträgers ein Anteil der übertragenden Gesellschaft wert ist(91). Ergeben sich Spitzenbeträge,
werden sie durch bare Zuzahlungen ausgeglichen. Diese dürfen gemäß §§ 122a Abs. 2 i.V.m. 54
Abs. 4, 68 Abs. 3, 78 den zehnten Teil des Gesamtnennbetrages der gewährten Geschäftsanteile der
übernehmenden Gesellschaft nicht übersteigen.

Bei Kapitalgesellschaften wird das Umtauschverhältnis bezogen auf den Nennbetrag der
Anteile in einem zahlenmäßigen Verhältnis ausgedrückt (z.B. : „Zwei Aktien des übertragenden
Rechtsträgers A werden gegen eine Aktie der aufnehmenden Gesellschaft B umgetauscht“)(92). In
diesem Zusammenhang soll als Grundsatz gelten, dass durch die Verschmelzung die Rechtsstellung
der Anteilseigner weder des übertragenen noch des übernehmenden Rechtsträgers beeinträchtigt
werden soll(93). Außerdem ist der Gleichbehandlungsgrundsatz unter sämtlichen Anteilsinhabern aller
sich verschmelzenden Rechtsträger bei der Aufstellung des Verschmelzungsplans und der Ermittlung
des Umtauschverhältnisses zu beachten(94). In diesem Zusammenhang spielt die Methode zur
Bewertung der beteiligten Gesellschaften eine grundsätzliche Rolle.

b) Das Erfordernis der Methodengleichheit bei der Bewertung der sich grenzüberschreitend verschmelzenden Unternehmen.

aa) Überblick über die Rechtslage bei innerdeutschen Verschmelzungen.

Zur Bewertung der beteiligten Rechtsträger enthält das deutsche Recht keine Regelungen.
Ausgangspunkt ist jedoch, dass man nur zu einem sinnvollen Austauschverhältnis gelangen kann,
wenn die beteiligten Rechtsträger auf der Grundlage der gleichen Methode bewertet werden(95). Das
Umtauschverhältnis der Anteile bzw. Aktien kann nämlich nur einheitlich für alle beteiligten
Rechtsträger festgelegt werden(96).

Die in Deutschland – aber fast gar nicht im Ausland(97) – meistens verwendete Methode ist die
in der Rechtssprechung anerkannte bilanzorientierte Ertragswertmethode, deren Ziel ist es, die
zukünftigen Erträge des Unternehmens zu bestimmen(98). Diese Methode wird von der deutschen
Rechtssprechung anerkannt, ohne von ihr vorgeschrieben zu werden(99). Neben dieser Methode
gewinnt die marktwertorientierte Discounted-cash-flow-Methode zunehmend an Einfluss. Diese will
nicht den (auch zukünftigen) Wert des Unternehmens aus der Rechnungslegung ableiten, sondern
wählt den Saldo zwischen den zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens als
Ausgangspunkt, um dann dessen gegenwärtigen Wert zu ermitteln(100).

Bei der Auswahl der geeigneten Methode steht sowohl bei inländischen als auch
grenzüberschreitenden Verschmelzungen den Leitungsorganen der sich verschmelzenden
Gesellschaften ein gewisser Ermessenspielraum zu(101). Wichtig ist aber, dass die Leitungsorgane der
beteiligten Gesellschaften sich über eine einzige Methode zur Bewertung ihrer jeweiligen
Unternehmen einigen. Da die Ertragswertmethode i.d.R. begünstigt wird, stellt dies wenige Probleme
als bei transnationalen Fusionen.

Fraglich ist, ob der Börsenkurs bei der Festlegung der Verschmelzungswertrelation
börsennotierten Gesellschaften zu berücksichtigen ist. Dies wurde früher von der Rechtssprechung
verneint(102). Im Jahre 1999 hat jedoch das BVerfG entschieden, dass es „bei der Bestimmung der
Abfindung oder des Ausgleichs für außerstehende Aktionäre nach §§ 304, 305, 320b AktG a.F. mit
dem Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsschutz) unvereinbar ist, den Börsenkurs der Aktien außer Betracht
zu lassen“(103). Nach dem BVerfG muss vielmehr der Börsenkurs die Untergrenze für die Bewertung
darstellen. Da diese Grundsätze nur für die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge
unmittelbar gelten, wird heute von der h.M. in der Literatur und auch teilweise in der
Rechtssprechung vertreten, dass sie nur auf die Verschmelzung von konzernverbundenen, aber nicht
auf diejenige von gleichberechtigten Unternehmen (merger of equals) ohne weiteres übertragbar
sind(104), denn in dieser letzten Fallkonstellation kein Interessenwiderstreit zwischen den Groß- und
den Minderheitsaktionären des übertragenden Rechtsträgers bestehe, da im Züge der Verschmelzung
alle Anteilsinhaber des übertragenen Rechtsträgers Anteilsinhaber der übernehmenden Gesellschaft
werden(105). Ein anderer Teil der Literatur will hingegen mit Berufung auf die Vergleichbarkeit der
Fallkonstellationen und die Schutzwürdigkeit der Minderheitsaktionäre die Anwendbarkeit dieser
Gründsatze auf alle Verschmelzungsfälle ausweiten(106). Zu beachten ist jedenfalls, dass eine derartige
Berücksichtigung des Börsenkurses nicht möglich ist, wenn nur eine der an der Verschmelzung
beteiligten Gesellschaften eine börsennotierte AG ist(107). Obwohl dieser Meinungsstreit noch nicht
abgeschlossen ist(108), sollte der Börsenkurs bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, wie unten
ausgeführt, eine erhebliche Rolle spielen.

bb) Rechtslage bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen.

Bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung innerhalb der EU ergeben sich besondere
Schwierigkeiten daraus, dass bisher keine Harmonisierung der nationalen Rechte bezüglich des
Bewertungsverfahrens vorgenommen worden ist(109). Ein europaweit einheitlich zu anwendendes
Bewertungsverfahren gibt es derzeit nicht(110). Aus dem Fehlen solcher Vorgaben in der GrenzVR
folgt ein Verweis auf die jeweiligen nationalen Rechte (Art. 4 Abs. 1 lit. b GrenzVR). Die jeweiligen
nationalen Bewertungsverfahren sind aber auf das jeweilige nationale Umfeld der Rechnungslegung
und der „kulturspezifischen Risikoeinschätzung“ abgestellt(111). Folglich besteht die Gefahr, dass
unterschiedliche inkompatible Bewertungsmethoden im Rahmen einer einzigen
grenzüberschreitenden Verschmelzung kollidieren(112). Wirft man einen Blick auf die im England und
in Frankreich benutzten Bewertungsmethoden, wird klar, dass dieses Risiko nicht unerheblich ist(113).
Da das meistens in Deutschland benutzte Ertragswertverfahren den anderen Rechtsordnungen der EU
nahezu unbekannt ist, erscheint es kaum vorstellbar, dieses den ausländischen
Verschmelzungspartnern aufzuerlegen(114). Außerdem ist der deutsche Rechtsträger an dieses
Verfahren nicht gebunden(115).

Wie bei innerdeutschen Verschmelzungen sollte jedoch der Grundgedanke gelten, dass man
zu einer angemessenen Verschmelzungswertrelation nur gelangen kann, wenn die Bewertung
sämtlicher an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften nach denselben Grundsätzen erfolgt.
Hinzu kommt, dass die Kumulation divergierenden Bewertungssysteme die Möglichkeit der
grenzüberschreitenden Verschmelzung und somit die europarechtlich gewährleistete
Niederlassungsfreiheit erheblich zu einschränken geeignet ist(116).

Zur Lösung dieser Problematik wird teilweise in der Literatur vorgeschlagen, das Discountedcash-
flow-Verfahren bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen anzuwenden. Dafür spreche, dass
dieses Verfahren sich von den Beurteilungsspielräumen der Rechnungslegung löse, bei deren
Handhabung es vorwiegend auf von außen schwer nachzuvollziehenden nationalen Konventionen
ankommt, und demgegenüber nach dem „Enron-Skandal“ erhebliche Skepsis besteht(117). Ein anderer
Teil des Schrifttums befürwortet die Anwendung des auf den aufnehmenden Rechtsträgers bei
inländischen Verschmelzungen anwendbaren Verfahrens. Diese Ansicht stützt sich auf der Tatsache,
dass das Umtauschverhältnis eine Entscheidung zu einem „Verteilungskampf“ darstellt, die erst
innerhalb des aufnehmenden Rechtsträgers verwirklicht wird(118). Dagegen spricht jedoch, dass es
undenkbar ist, bei Verschmelzungen, bei denen der aufnehmende Rechtsträger eine deutsche
Gesellschaft ist, dem ausländischen Verschmelzungspartner das von ihm völlig unbekannte
Ertragswertverfahren aufzuerlegen. Da die Festlegung eines europäischen Bewertungsstandards in
absehbarer Zeit nicht ersichtlich ist(119), verbleibt die Lösung, von den Leistungsorganen der
beteiligten Rechtsträger zu fordern, dass sie sich über eine einzige Methode zur Bewertung
sämtlicher sich verschmelzenden Gesellschaften einigen. Wird ein auf den Ertragswert abstellendes
Verfahren ausgewählt, sind bestimmte Adjustierungen vorzunehmen, um gewissen
landesspezifischen Gegebenheiten (z.B. Zinssatz) Rechnung zu tragen(120). Bei börsennotierten
Gesellschaften sollte jedenfalls dem Börsenkurs eine erhebliche Bedeutung zukommen. Dafür spricht
insbesondere, dass die Transparenzstandards der Kapitalmärkte der Europäischen Union weitgehend
harmonisiert sind. Zudem gewährleistet die Bewertung anhand des Börsenkurses eine gewisse
Objektivität, wenn auf einen auf der Grundlage einer längeren Referenzperiode unter Ausschluss
jeglichen spekulativen Einflüssen durchschnittlichen Börsenkurs zurückgegriffen wird(121). Außerdem
kommt dem Börsenkurs auf der internationalen Ebene eine immer wichtigere Bedeutung zu.

Haben sich die beteiligten Rechtsträger auf eine einheitliche Methode zur Bewertung ihrer
Unternehmen einigt, werden auf dieser Grundlage die Verschmelzungswertrelation und das
Umtauschverhältnis festgelegt. Sind bestimmte Anteilsinhaber (Es wird sich meistens um
Minderheitsgesellschafter bzw. –aktionäre handeln) der Meinung, dass dieses letztere unangemessen
ist, und somit dass ihre Vermögensinteresse dadurch beeinträchtigt werden, stehen ihnen zwei
wichtige Rechtswege offen : Die Anfechtungsklage und das Spruchverfahren. Die Frage der
Anwendbarkeit und der Durchführung dieses Verfahrens ist Gegenstand des zweiten Teils der
vorliegenden Arbeit.

59 Kiem, ZGR 2007, 542 (542).
60 Kulenkamp, S. 174.
61 Raiser/Veil, § 46 Rn. 36.
62 Da die grenzüberschreitende Verschmelzung lediglich Kapitalgesellschaften betrifft, sind die Angaben über die
Mitgliedschaft (die nur Personengesellschaften bzw. Genossenschaften betreffen) entbehrlich.
63 Kulenkamp, S. 174.
64 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 5 Rn. 19.
65 BGH v. 20.10.1990, NJW-RR 1991, 358 (359).
66 Drinhausen in : Semler/Stengel, UmwG, § 122c Rn. 14.
67 Raiser/Veil, § 46 Rn. 42.
68 OLG Hamm NZG 1999, 560 (561) ; LG Mainz ZIP 2001, 840 (842) ; Marsch-Barner in : Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 6.
69 BGHZ 107, 296 (302) ; Gehling in : Semler/Stengel, UmwG, § 8 Rn. 24.
70 BGH DB 1978, 974 (976), OLG Düsseldorf AG 1992, 200 (203) ; BGH ZIP 1993, 1160 (1162).
71 Eine rechtlich vorgeschriebene Bewertungsmethode gibt es jedoch nicht (BGH NJW 1982, 2441 ; BGH WM 1982, 17
(18), BGH ZIP 1993, 1160 (1162)).
72 Marsch-Barner in : Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 13.
73 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 8 Rn. 20 ff.
74 LG Mainz ZIP 2001, 840 (842).
75 BGHZ 107, 296 (303).
76 Müller in : Kallmeyer, UmwG, § 12 Rn. 10.
77 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 12 Rn. 17.
78 OLG Karlsruhe WM 1989, 1134 (1140).
79 Zeidler in : Semler/Stengel, UmG, § 12 Rn. 15.
80 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 12 Rn. 14.
81 Zeidler in : Semler/Stengel, UmG, § 12 Rn. 15.
82 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 5 Rn. 16 ; OLG Stuttgart AG 2006, 420. Nach Raiser/Veil ist die „zutreffende
Berechnung des Umtauschverhältnisses das wirtschaftliche und rechtliche Hauptproblem der Verschmelzung“ (§ 46 Rn.
20).
83 Kiem, ZGR 2007, 542 (542).
84 Müller in : Kallmeyer, UmwG, § 5 Rn. 19.
85 Adolff, ZHR 173 (2009), 67 (69).
86 Kiem, ZGR 2007, 542 (550).
87 Kiem, ZGR 2007, 542 (544).
88 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 5 Rn. 28.
89 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 5, Rn. 18.
90 OLG Stuttgart AG 2006, 420 (422).
91 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, Rn. 39 ; Beispiel : Beträgt der Wert der übertragenden A-Gesellschaft 1,5 €
(Grundkapital : 1 €) und der Wert der übernehmenden B-Gesellschaft 6 € (Grundkapital : 2 €), so ist der Wert einer AAktie
1,5 € und der Wert einer B-Aktie 3 €. Folglich werden die Anteilsinhaber der übertragenden A-Gesellschaft eine BAktie
gegen zwei A-Aktien erhalten (Umtauschverhältnis 2 : 1).
92 Schröer in : Semler/Stengel, UmwG, § 5 Rn. 26.
93 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 5 Rn. 20.
94 Raiser/Veil, § 46 Rn. 20.
95 Kiem, ZGR 2007, 542 (552) ; BayOLG ZIP 2003, 253 (257).
96 Kulenkamp, S. 176.
97 Kiem, ZGR 2007, 542 (566).
98 Dies erfolgt in der Weise, dass diese mit einem bestimmten Kapitalisierungszinssatz abgezinst werden. Dabei wird der
zukünftige Ertrag i.d.R. aus dem Durchschnitt der um außergewöhnliche Einflüsse bereinigten Gewinne der Vorjahre auf
Basis der Annahme der Vollausschüttung der Gewinne ermittelt (Kulenkamp, S. 175).
99 BGH ZIP 1993, 1160 (1162) ; BGHZ 116, 360 (370) ; BGHZ 71, 40 (52) ; BayOblG ZIP 2003, 253 (254) ; OLG
Düsseldorf WM 1998, 2058 (2059) ; OLG Düsseldorf WM 1995, 756 (761) ; BVerfGE 100, 289 (307).
100 Teichmann, ZGR 2002, 353 (355). Dazu ist in einem ersten Schritt der Überschuss der regelmäßigen
Betriebseinnahmen über die regelmäßigen Ausgaben zu bestimmen. Dieser Überschuss wird mit den markorientiert
gewichteten Kapitalkosten abgezinst und von dem so ermittelten Wert die verzinslichen Verbindlichkeiten abgezogen
(Kulenkamp, S. 175).
101 Marsch-Barner in : Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 14 ; Kiem, ZGR 2007, 542 (565).
102 BGH WM 1967, 479 ; BGHZ 71, 40 (51) ; BGHZ 72, 40 (51) ; OLG Düsseldorf WM 1995, 756.
103 BVerfGE, 100, 289, ZIP 1999, 1436 („DAT/Altana“).
104 BayOLG ZIP 2003, 253 (256) ; OLG München AG 2007, 701 (704) ; Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 5 Rn. 27 ;
Kiem, ZGR 2007, 542 (552) ; Bungert, BB 2003, 699 (700).
105 Lutter/Drygala in : Lutter, UmwG, § 5 Rn. 27.
106 Gehling in : Semler/Stengel, UmwG, § 8 Rn. 26 ; Marsch-Barner in : Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 13.
107 OLG Stuttgart AG 2006, 463 ; OLG München AG 2007, 701 (705).
108 Gehling in : Semler/Stengel, UmwG, § 8 Rn. 16 ; Kiem, ZGR 2007, 542 (552).
109 Großfeld, NZG 2002, 353 (354).
110 Kiem, ZGR 2007, 542 (569).
111 Teichmann, ZGR 2002, 353 (354).
112 Adolff, ZHR 173 (2009), 67 (67).
113 In Frankreich gilt der so genannte Multi-Kriterienansatz (approche multi-critères), nach dem verschiedene
Bewertungsmethode gleichzeitig angewandt werden müssen. Dabei sind vier Kriterien besonders wichtig : Die
Ertragskraft, das Nettoreinvermögen, die Börsenbewertung und die künftige Entwicklung der Kapitalflüsse. Obwohl die
Verschmelzungswertrelation nicht allein auf dessen Grundlage ermittelt werden kann, kommt dabei dem Börsenkurs eine
erhebliche Bedeutung zu. Auf die Unternehmensplanung (und somit auf die künftigen Erträge) muss nicht (aber kann,
soweit ihr keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird) abgestellt werden (Autorité des Marchés Financiers,
Annexe II de l’instruction n° 2005-11 du 13 décembre 2005, modifiée le 18 septembre 2006). Die Rechtsfiguren der
Gesamtrechtsnachfolge und der Verschmelzung sind dem englischen Recht quasi unbekannt. Vielmehr begünstigt es für
Umwandlungen den Anteilserwerb. Die Verschmelzungswertrelation spielt dabei keine Rolle. Für die Bewertung der
Anteile bei dem Anteilserwerb wird überwiegend auf die Marktbewertung abgestellt (Kiem, NZG 2007, 542 (554 ff.).
114 Kiem, ZGR 2007, 542 (566).
115 Kiem, ZGR 2007, 542 (566).
116 Adolff, ZHR 173 (2009), 67 (67).
117 Teichmann, ZGR 2002, 353 (355).
118 Adolff, ZHR 173 (2009), 67 (97).
119 Kiem, ZGR 2007, 542 (562).
120 Kiem, ZGR 2007, 542 (562 f.).
121 Kiem, ZGR 2007, 542 (564).

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